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Vor 500 Jahren wurde das heutige Kirchengebäude in Riethnordhausen fertig gestellt. Im Schlussstein des Chorraumes ist die Jahreszahl 1524 vermerkt. Der kreisrunde Stein, in dem die Rippen des Kreuzgewölbes zusammenlaufen, trägt außerdem ein Steinmetzzeichen, das sich genauso auch im Tor und in der Turmhalle der Jacobikirche in Sangerhausen findet. Wer war dieser Jakobus, nach dem in Deutschland so viele Kirchen benannt wurden (Lt. einer Liste von Wikipedia sind es über 400 - und da ist Rio noch nicht einmal aufgeführt.) Meine erste bewusste Begegnung mit Jakobus hatte ich im Januar 2018. Ich war zu Epiphanias mit dem Fahrrad auf dem Camino del Norte in Bilbao gestartet und dann auf dem Jakobsweg über Gijon bis nach Santiago de Compostella gefahren. Nun stand ich vor der Kathedrale, die zu seinen Ehren gebaut wurde, und blickte Jakobus an (s. nebenstehendes Bild). Ein bisschen verwittert sah er aus, ernst, die Augen auf ein unbestimmtes Ziel gerichtet. Blickt er zurück? Blickt er voraus? Einerseits schien er ganz wach, andererseits schon ein bisschen entrückt. In der einen Hand hielt er die Schriftrolle, in der anderen den Wanderstab. Im Heiligenschein war die Muschel angedeutet. Ich fragte mich: Wie kommt der hierher? Wie kommt Jakobus nach Nordspanien? Angefangen hatte es doch in dem kleinen galiläischen Dorf am See Genezareth. Jakobus war Fischer, der mit seinem Bruder Johannes jede Nacht hinausfuhr auf seinen kleinen See und dort ein paar Fische f ing. Galiläa, das war tiefste Provinz, man sprach aramäisch mit Akzent, heiratete seine Cousine zweiten Grades aus dem Nachbardorf und war froh, wenn die Kinder vor dem Schlafengehen etwas in den Ma gen bekamen. Diesen galiläischen Fischer trifft nun völlig überraschend ein Ruf: „Folge mir nach. Lass deine Netze hier liegen und geh mit mir mit.“ Als Jakobus den Blick von seinen Netzen erhob, stand ein Landsmann vor ihm. Der war zwar aus Nazareth, aber das war auch nur 50 km entfernt. Was wollte der von ihm? Warum er, Jakobus? Wohin sollte das führen? – Und hier geht Jakobus den ersten Schritt, er spürt, dass dieser äußere Ruf auch ein Ruf von innen ist, wir heute würden viel leicht sagen: Diese Aufforderung trifft auf eine Sehnsucht nach Veränderung, nach Aufbruch, nach Neuanfang – und so lässt er seine Netze liegen und geht mit. Und damit beginnt Jakobs große Reise.
Zunächst zieht er mit Jesus und den anderen Jüngern durch Galiläa. Er erlebt, wie Menschen geheilt werden, wie die Worte Jesu das Leben vieler Menschen verändern, er erlebt Momente besonderer Gottesnähe und inniger Gemeinschaft. Es gibt auch Streit und offene Fragen. Aber Jakobus ist froh, auf diesem Weg zu sein. Sogar den dunkelsten Moment übersteht er: Als Jesus am Kreuz stirbt. Denn bald darauf beginnt der Weg aufs Neue: Auferstehung, neues Leben, noch einmal ein neuer Anfang. In Jerusalem findet sich die erste Gemeinde zusammen. Sie nennen sich „die Anhänger des neuen Weges“ und setzen das fort, was Jesus mit ihnen begonnen hatte. Die Gemeinde findet großen Anklang, erlebt aber auch Feindschaft und Verfolgung. Und dann ist Jakobus einer von den ersten, die verhaftet und getötet werden. Er ist der erste Märtyrer unter den 12 Aposteln.
Aber auch damit ist sein Weg noch nicht zu Ende. Die Legende berichtet folgendes: „Da nahmen seine Jünger nachts seinen Leib und legten ihn auf ein Schiff, überließen dessen Bestattung der göttlichen Vorsehung, bestiegen das Schiff ohne Rudermannschaft und landeten, vom Engel des Herrn geführt, an der Küste Galiciens.“ Nachdem die heiligen Gebeine dort verschiedene Wunder gewirkt haben, werden sie auf dem Sternenfeld („Compostella“) bestattet – und geraten in Vergessenheit. Bis sie nach 800 Jahren, in einer Zeit, in der Spanien von den Muslimen bedroht war, wieder entdeckt werden. Über seinem Grab wird die erste Kirche gebaut und Jakobus hat nun endgültig seinen Platz in Santiago de Compostella eingenommen.
Schon im Mittelalter pilgern tausende Menschen nach Santiago, Jakobus wird einer der bekanntesten Heiligen weltweit.
Kirchen, die an einem Arm des Pilgerweges liegen, werden häufig nach ihm benannt. Andere Jakobskirchen werden nach geglückter Pilgerschaft gestiftet. Wir wissen leider nicht, wie der heilige Jakob zum Patron der Kirche von Riethnordhausen geworden ist. Vielleicht ist auch von hier aus dem Rieth einmal jemand nach Santiago gepilgert und nach glücklicher Heimkehr den Bau der Kirche veranlasst.
Was wir von Jakobus lernen können?
Dass unser Leben ein Unterwegssein ist. Dass es gut ist, sich nicht mit zuviel Gepäck zu behängen. Dass es Orte braucht, wo Menschen einkehren, sich begegnen und neu nach dem Weg fragen können. So wie es unsere Jakobi-Kirche in Riethnordhausen nun schon viele hundert Jahre ist. n der Hoffnung, dass wir uns bei der Jubiläumsfeier am 22. September in Rio sehen werden, grüßt herzlich
Ihr Pfarrer
Ralf Schultz
Sprechzeiten im Pfarramt Brücken nach Vereinbarung
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